Zur LF 9 Sterbewunsch

Ein großer Spaß,  dieses Sterben. Nur das Warten nervt.

So sah es Wolfgang Herrndorf, der bitter darum ringen musste, sterben zu dürfen. Schließendlich gelang es ihm blutig mit einer Pistole.

Herrndorfs Forderung nach einem freien Zugang zu Suizidmedikamenten, also käuflich in jeder Apotheke, wurde als eine Provokation aufgenommen.

Wieso eigentlich? Natürlich müsste eine freilassende Beratung vorausgehen, ähnlich der bei einem Schwangerschaftsabbruch.

Wenn du magst,  google  Herrndorf einmal –  bewegend und interessant.

Zur LF 7 (2) Sterbehilfe

Reichlich verkrampft  ist sie noch immer, die Debatte um Sterbehilfe, um Sterbehelfer(innen) und das ganze Drumherum. Der fragliche § 217 StGB wurde 2015 vom Bundestag verabschiedet, um den Sterbehelfern (Dignitas, Kusch, Arnold, Puppe u. a., es waren nicht viele) „das Handwerk zu legen“. Sie waren insofern gewerbsmäßig unterwegs, als sie eine geldliche Entschädigung für ihre Hilfe vereinnahmt haben.

Nun aber heißt es im § 217, dass auch eine  „geschäftsmäßige“ Sterbehilfe unter Strafe steht. Geschäftsmäßig handelt bereits, wer unter Umständen die Absicht hat, seine Hilfe zum Sterben auch zu wiederholen. Vor der Verabschiedung des Paraphen 217 war in Deutschland eine ärztliche Hilfe beim Suizid straffrei! Aber die Ärztekammern sahen das stets kritisch, einige legten fest, Ärzte dürfen nicht …,  andere formulierten, Ärzte sollen nicht … Dabei spricht die erstere Formulierung ein Verbot aus, während jenes ‚sollen nicht‘ lediglich eine Aufforderung meinte.

Immerhin ist es in Deutschland noch erlaubt, frei über den Suizid zu schreiben und zu reden. In Österreich ist man wie es scheint noch pingeliger. Jedes Gespräch über den Suizid, kann man theoretisch auch als eine „Beratung“ einstufen und diese Beratung dann als eine geschäftsmäßige Sterbehilfe  ansehen. Oh weiha.

Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass es nach gängiger Auffassung bereits als ‚krank‘ gilt, wenn jemand auch nur den Wunsch  äußert,  sterben zu wollen. Ein solcher Sterbewunsch wird als „unnatürlich“ eingestuft und muss im Keim erstickt werden. Er ist als Zeichen einer psychischen Störung zu sehen, und diese, zumeist als Depression betrachtet, lässt sich doch medikamentös behandeln …Hinzu kommt vor allem das ‚Erdrutsch-Argument‘. Wehret den Anfängen, seht euch die fürchterlichen Zustände in Belgien, Holland, Oregon usw. an. In der Suizidfrage wird „liberal“ zu einem Schimpfwort.

Wichtig ist für dich vor allem eines: die sogenannte Tatherrschaft muss allein bei dir liegen. So verfährt auch Exit in der Schweiz. Der/die Sterbewillige muss den letzten Akt allein ausführen, z. B. das Glas mit dem tödlichen Medikament selbsttätig zum Mund führen, oder den Hahn an der Flasche selbst aufdrehen. – Das aber kann schwierig werden, wenn die Kraft dazu bereits fehlt.

Dem Wortlaut des § 217 gemäß  dürfen ‚Nahestehende‘,  also Verwandte und gute Freunde bei deinem Sterben anwesend sein und dich begleiten. Hilft dir aber beim Sterben jemand von ihnen unmittelbar und bis zum Finale, kann der/ die u. U. kriminalisiert  werden. Es könnte dies dann sogar als eine „Tötung auf Verlangen“ auslegbar sein und der § 216 StGB schlägt zu. – Mach‘ dich nicht verrückt, weder vor der Verabschiedung  des § 217 noch danach hat es hier bisher einen Strafprozess gegeben.

Anzuraten ist also, das Sterben und die gegebene ‚Tatherrschaft‘ sorgfältig zu dokumentieren. Durch eine entsprechende Versicherung seitens des Suizidenten (Verweis auf die eigenständige Vorbereitung und Durchführung) sowie mit einer Kamera. Du musst also noch fit sein für dein Sterben, sonst bleibt dir nur Plan B, das Sterbefasten. Dieses wiederum ist nicht so ganz leicht.

Zur LF 3 Sterbewunsch und Jenseitshoffnungen

Komfortabler Weise gibt es hier nur drei Grundpositionen.

  1.  Dein irdisches Leben im Hier und Jetzt ist eine dir auferlegte, zeitlich  begrenzte Pilgerfahrt in einem irdischen Jammertal.  Der Tod eröffnet dir dann das Tor zu einem zeitlosen, jenseitigen Leben. Dort wartet auf dich die ewige Seligkeit, vielleicht aber auch Hölle und Verdammnis.
  2. Tot ist tot. Es gibt keine vom Körper getrennte, unsterbliche  ‚Seele‘. Alles, was wir rational betrachtet konstatieren können, ist dieses eine, konkret fassbare Leben, über das wir verfügen. Im Tod löst sich dieses Leben schlicht wieder auf.
  3. Niemand kann dir zweifelsfrei sagen, ob da irgendetwas nach dem Tod kommt oder nicht. Also grübele nicht über diese törichte Frage, die letztlich ohne eine Antwort bleiben muss. Mach dir den Kopf nicht schwer, warte einfach ab.

Diese drei Grundpositionen liegen weit voneinander entfernt. Wir können da im Grunde nicht argumentieren. Aber alle diese drei Positionen kreisen in unserem Kopf, vor allem aber in unserem Gemüt. Und wir schwanken.

Oder bist du auf eine dieser drei Positionen festgelegt? Dann ist das auch in Ordnung. Selbst von der Position A aus kann eine Freitodentscheidung angemessen sein, wenn du die klerikalen Bevormundungen, die ihr anhaften, ablegst.

Die Frage nach dem ‚Danach‘ lässt uns nicht los. Weil wir  hoffen, in unserem gegenwärtigen Leben und auch in seinem unausweichlichen Ende einen Sinn zu sehen, einen höheren Sinn. Wie viele Philosophen haben sich da schon abgemüht… Es gehört offenbar zu unserer menschlichen Natur, dass wir nicht von der Sinnfrage loskommen.

Position A, die klassisch religiöse, ist uns allen in ihren Umrissen gut bekannt. In den drei großen monotheistischen Religionen, dem Judentum, dem Christentum und dem Islam findet sie sich in einer aufwendigen Mythologisierung. Am wenigsten einheitlich ist diese im Judentum, besonders drohend zeigt sie sich im Islam,  und im Christentum wird bei den Bestattungsfeiern heutzutage eher eine Version light bevorzugt. Position A bedient unsere Gefühle am besten.

Hinter der Position B versammeln sich die naturwissenschaftlich orientierten „Realisten“. Sie können u. a. darauf verweisen, dass sich die Natur in ihrem  Wandel von Werden und Vergehen ja in Kreisläufen bewegt, so z. B.  in einem Kohlenstoff-Kreislauf, in den wir lebend und auch als Tote  (organisches Material) eingebunden sind. Zudem bestehen wir überwiegend   aus bloßem Wasser. Oder man verweist auf den Satz von der Energieerhaltung etc. Schon Demokrit erläuterte, dass ‚im Sterben‘ nichts verloren geht. Die Elementarteilchen organisieren sich in einem ständigen Wechsel von Ordnung und Zerfall. Verloren geht dabei nichts.

Dazu ist kürzlich ein einschlägiges Buch erschienen. Oliver Müller, Alter. Sterben. Tod. Die Vergänglichkeit des Menschen aus naturwissenschaftlicher Sicht, 2019. Müller, der zunächst Theologie studierte, greift auch die theologische Sichtweise auf, für die er allerdings keine Belege findet.

Bekräftigen  lässt sich die Position B indes   auch von einem Gemüt her, dem eine  spirituell ausgerichtete Blickrichtung  von Bedeutung ist. ‚Ein Regentropfen kehrt zurück ins Meer’, so lautet der Titel eines Buches von Abt Muho. Wenn wir den Wechsel von Werden und Vergehen in solchen Metaphern spiegeln  erspüren wir vielleicht dabei das Wirken eines geistigen Prinzips. Der rationalen naturwissenschaftlichen Sicht lässt sich eine naturphilosophische beifügen. Vielleicht siehst du dich einmal beim Daoismus um.

Wer gemäß Position C alles in der Schwebe lässt, verzichtet darauf, sein emotionales Bedürfnis nach  ‚Sinn‘ durch eine Vorstellung über das Danach  zu nähren. Wer also diese scheinbar naheliegende Position hat, wählt einen anspruchsvollen Weg sich zu verorten. Schon vor seinem leiblichen Tod muss er/sie vieles von seiner emotionalen Bedürftigkeit absterben lassen. Das ist schwer. Die konsequenteste  Strategie,  emotionale Bedürfnisse absterben zu lassen,  hat sicherlich der Buddhismus, in Sonderheit der ZEN-Buddhismus.

Zusammengefasst: Position A zielt auf unsere Gefühle. Position B bietet eine rationale Abschottung gegen diese Gefühle (vgl. dazu  C. G. Jung) kann aber auch einen naturphilosophischen Trost bieten. Position C ist, wenn sie nicht einfach daher geplappert wird,  eine asketische Position. Sie strebt an, alle Fragen nach dem Leben und nach dem Sterben hinter sich zu lassen.