ZU LF3 (2) Alles ist, wie es ist, gut.

Mit einer ruhigen Distanz betrachtet, zeigen sich die Fragen nach dem  ‚Danach‘ deutlich weniger bedeutsam,  als wir das zunächst glauben wollen. Wirklich problematisch wird diese Frage ja nur, wenn mit einer Bestrafung in einem Jenseits gedroht wird.

Im Übrigen mag sich jede(r) dort aufgehoben fühlen, wo er/sie sein geistiges Zuhause sieht. Wir müssen lediglich eine ruhige und abgeklärte Haltung gewinnen. Das Ziel sollte sein, nicht mehr um jeden Preis um sein Leben zu kämpfen, sondern den Tod in das eigene Leben zu integrieren, seinen Lebenssinn zu bejahen. Alles ist, wie es ist, gut.

Diese Haltung (Aristoteles sprach von Hexis)  hatte sich in der Antike z. B. Seneca erarbeitet. Gleichwohl wechselhaft waren seine Vorstellungen von dem ‚Danach‘.  Zuweilen nimmt er die christliche Trostbotschaft gleichsam vorweg, wenn er sagt, es gibt da einen Gott, der alles zum Guten wendet, dann wieder lobt er die Sichtweise von Epikur und dessen Theorie von den Atomen,  mit deren formgebenden und formauflösenden Eigenschaften in einem ewigen Wechsel.

Seneca lobte natürlich auch die stoische Kosmologie. Nach deren Lehre steht alles, Menschen und Menschenreiche, die Kulturen,  ja die Erde selbst und die Gestirne, eben alles, unter dem ehernen Gesetz des unausweichlichen Verfalls. Nichts blieb, wie es war, nichts bleibt, wie es ist. Alles hat seine Zeit. Nur der Tod selbst ist ewig, wie auch das Geborenwerden. Lediglich für sich selbst und sein Wirken hat das einzelne Leben eine Bedeutung, im kosmischen Konzert ist es nur ein zeitlich vorübergehender Moment.

Interessant und irritierend ist in diesem Zusammenhang  ein Hinweis, wie er sich bei James S.  Romm findet. (Romm, Seneca, Über die Kunst des Sterbens, 2019)  In halluzinogenen Pilzen, besonders ergiebig ist der Kubanische Kahlkopf, sind die Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin  enthalten. Sie bewirken, wie bei Krebspatienten im Endstadium  auch klinisch überprüft wurde, eine psychische Stimmungslage des umfassenden Einverständnisses mit allem, auch mit dem eigenen Tod.

Wer sich dieses umfassende Einverständnis geistig erarbeiten will, kann hieran ablesen, in welche Tiefenschichten er gelangen muss, eben bis in unsere Körperlichkeit hinein. Es sind halt im wesentlichen psycho-somatische Bereiche, um die es geht. Der Verstand erweist sich hierbei als sehr begrenzt und unfähig. Unnötig ist er gleichwohl nicht.

Eine solche Stimmungslage wurde in der Antike gepriesen und in den geistigen Eliten teilweise auch hartnäckig zu erreichen versucht. Es ist das Meditare mortum, oder grichisch der meléte thanátou, wie ihn auch Thomas Macho aufgreift. (Macho, Das Leben nehmen, 2017) Siehe auch Sara Stöcklein, Meditare mortem, 2008.                                                                                                                              

Geübt wird die bekannte und heilsame Psychotechnik, sozusagen links neben sich zu treten, sich aufspalten zu können in ein empirisches Ich, genauer gesagt das Ego, und ein transzendentales Selbst. Es gilt, eine andere Perspektive  einzunehmen. Eine solche, die den Tod in die Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens zu integrieren vermag. Denn  sehe ich meinen Tod lediglich in meiner Ego-Perspektive, werde ich nie mit ihm einverstanden sein.

Macho ( Das Leben nehmen, S. 72f.) schlägt hierbei einen Bogen hin zu Michel de Montaigne, der das Meditare mortem als ein Vorbedenken der Freiheit bezeichnet hat.  Montaigne: „ … nichts mehr ist schlimm im Leben für denjenigen, dem die Erkenntnis aufgegangen ist, dass es kein Unglück ist, nicht mehr zu leben.“ (Montaigne in dem Essay, Philosophieren heißt sterben lernen.)

Montaigne übte seinen täglichen Umgang mit dem Tod und empfahl wie Seneca auch, ihn als den entscheidenden Helfer zu sehen, der uns, wenn wir ihn in Ruhe ‚von oben‘ betrachten,  aus den Zwängen,  um jeden Preis leben zu müssen, zu befreien vermag.

Ein anderer Ansatz, der in die gleiche oder ähnliche Richtung geht, wird „Selbsttechnik“ genannt. Michel Focault ist einer seiner namhaften Protagonisten. Etwas philosophisch vertrackt kann man von einer Subjektspaltung sprechen. Macho (S. 19ff.) greift den Roman von Michael Köhlmeier, Zwei Herren am Strand, auf, in welchem dieser die Selbsttechnik als die „Methode des Clowns“ darlegt.

Köhlmeier: „Ganz bei sich selbst kann der Mensch nämlich nicht über sich selbst lachen, denn Lachen bedeutet immer Lachen auf Kosten eines anderen. Er muss sein Ich aufspalten in ein Ich, das lacht, und in ein anderes, das ausgelacht wird. Das ist das Ziel der Methode.“ (Zit. nach Macho, S. 21). Dieses Lachen über sich selbst, über das kleine Ego, das nicht sterben will und nicht kann, hatte auch Michel de Montaigne wärmstens empfohlen. Der Tod kann über die Wichtigtuerei unseres kleinen Lebens lachen und wir mit ihm.

Die christliche Botschaft überspringt ja quasi den Tod. Sie beraubt ihn seiner natürlichen und elementaren Wesenhaftigkeit und kompensiert dieses Verleugnen durch eine besondere, schwergewichtige Mythologisierung. Sehr plastisch lässt sich dies bei Blaise Pascal nachlesen.

Dabei blieb das ‚Große und Ganze‘  was es von jeher war, ein stets wiederkehrendes Geborenwerden und Sterben, jenseits aller menschlichen Vorstellungswelten. Sich  diesem Großen und Ganzen zu beugen, ist schwer. Es ist das DAO allen Lebens, zu dem das Sterben gehört.

Montaigne betont in diesem Zusammenhang, dass der einzelne Tod, also dein und mein Tod, ja etwas Belangloses ist. Er ist ein kurzes Einzelereignis. Ein Momentum, mehr nicht. 

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