Zur LF 2 (2) Selbstmord? (David Hume)

Hier ein paar Gedanken David Humes zur Frage nach dem 5. Gebot, Du sollst nicht töten.

„Es würde sich leicht beweisen lassen, daß Selbstmord für Christen ebenso rechtmäßig ist als für die Heiden. Es gibt nicht ein einziges Schriftwort, das ihn verbietet. Diese große und unfehlbare Richtschnur des Glaubens und Lebens, an welcher alle Philosophie und menschliche Überlegung zu prüfen ist, hat uns in diesem Punkte unsere natürliche Freiheit gelassen. Ergebung gegen die Vorsehung wird allerdings in der Schrift empfohlen; aber diese befallt allein Unterwerfung unter diejenigen Übel, welche unvermeidlich sind, nicht unter die, welchen durch Klugheit oder Tapferkeit abgeholfen werden kann. »Du sollst nicht töten«, hat offenbar den Sinn, das Töten anderer, über deren Leben uns kein Recht zusteht, auszuschließen. Daß diese Vorschrift, wie die meisten Schriftstellen, durch Überlegung und gesunden Menschenverstand modifiziert werden muß, geht aus dem Verfahren der Obrigkeiten klar hervor, welche Verbrechen am Leben strafen, trotz des Buchstabens des Gesetzes. Aber ginge dies Verbot auch ganz ausdrücklich auf Selbstmord, so würde es jetzt doch keine Geltung haben, denn das Gesetz Mosis ist abgeschafft, soweit es nicht durch das Gesetz der Natur aufrecht erhalten wird. Und wir haben schon zu beweisen versucht, daß Selbstmord nicht gegen dies Gesetz ist. In allen Fällen sind Christen und Heiden genau auf demselben Fuß, Cato und Brutus, Arria und Porcia handelten heldenmütig; diejenigen, welche ihr Beispiel heute nachahmen, verdienen bei der Nachwelt dasselbe Lob. Die Macht, einen Selbstmord zu begehen, wird von Plinius als ein Vorzug angesehen, welchen der Mensch vor der Gottheit selbst hat. Deus non sibi potest mortem consciscere si velit, quod homini dedit optimum in tantis vitae poenis. (Gott kann sich, auch wenn er wollte, nicht den Tod geben, was er den Menschen als bestes Geschenk bei so vielen und großen Plagen des Lebens verlieh.“ Lib. II. c. 5.

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