Komfortabler Weise gibt es hier nur drei Grundpositionen.
- Dein irdisches Leben im Hier und Jetzt ist eine dir auferlegte, zeitlich begrenzte Pilgerfahrt in einem irdischen Jammertal. Der Tod eröffnet dir dann das Tor zu einem zeitlosen, jenseitigen Leben. Dort wartet auf dich die ewige Seligkeit, vielleicht aber auch Hölle und Verdammnis.
- Tot ist tot. Es gibt keine vom Körper getrennte, unsterbliche ‚Seele‘. Alles, was wir rational betrachtet konstatieren können, ist dieses eine, konkret fassbare Leben, über das wir verfügen. Im Tod löst sich dieses Leben schlicht wieder auf.
- Niemand kann dir zweifelsfrei sagen, ob da irgendetwas nach dem Tod kommt oder nicht. Also grübele nicht über diese törichte Frage, die letztlich ohne eine Antwort bleiben muss. Mach dir den Kopf nicht schwer, warte einfach ab.
Diese drei Grundpositionen liegen weit voneinander entfernt. Wir können da im Grunde nicht argumentieren. Aber alle diese drei Positionen kreisen in unserem Kopf, vor allem aber in unserem Gemüt. Und wir schwanken.
Oder bist du auf eine dieser drei Positionen festgelegt? Dann ist das auch in Ordnung. Selbst von der Position A aus kann eine Freitodentscheidung angemessen sein, wenn du die klerikalen Bevormundungen, die ihr anhaften, ablegst.
Die Frage nach dem ‚Danach‘ lässt uns nicht los. Weil wir hoffen, in unserem gegenwärtigen Leben und auch in seinem unausweichlichen Ende einen Sinn zu sehen, einen höheren Sinn. Wie viele Philosophen haben sich da schon abgemüht… Es gehört offenbar zu unserer menschlichen Natur, dass wir nicht von der Sinnfrage loskommen.
Position A, die klassisch religiöse, ist uns allen in ihren Umrissen gut bekannt. In den drei großen monotheistischen Religionen, dem Judentum, dem Christentum und dem Islam findet sie sich in einer aufwendigen Mythologisierung. Am wenigsten einheitlich ist diese im Judentum, besonders drohend zeigt sie sich im Islam, und im Christentum wird bei den Bestattungsfeiern heutzutage eher eine Version light bevorzugt. Position A bedient unsere Gefühle am besten.
Hinter der Position B versammeln sich die naturwissenschaftlich orientierten „Realisten“. Sie können u. a. darauf verweisen, dass sich die Natur in ihrem Wandel von Werden und Vergehen ja in Kreisläufen bewegt, so z. B. in einem Kohlenstoff-Kreislauf, in den wir lebend und auch als Tote (organisches Material) eingebunden sind. Zudem bestehen wir überwiegend aus bloßem Wasser. Oder man verweist auf den Satz von der Energieerhaltung etc. Schon Demokrit erläuterte, dass ‚im Sterben‘ nichts verloren geht. Die Elementarteilchen organisieren sich in einem ständigen Wechsel von Ordnung und Zerfall. Verloren geht dabei nichts.
Dazu ist kürzlich ein einschlägiges Buch erschienen. Oliver Müller, Alter. Sterben. Tod. Die Vergänglichkeit des Menschen aus naturwissenschaftlicher Sicht, 2019. Müller, der zunächst Theologie studierte, greift auch die theologische Sichtweise auf, für die er allerdings keine Belege findet.
Bekräftigen lässt sich die Position B indes auch von einem Gemüt her, dem eine spirituell ausgerichtete Blickrichtung von Bedeutung ist. ‚Ein Regentropfen kehrt zurück ins Meer’, so lautet der Titel eines Buches von Abt Muho. Wenn wir den Wechsel von Werden und Vergehen in solchen Metaphern spiegeln erspüren wir vielleicht dabei das Wirken eines geistigen Prinzips. Der rationalen naturwissenschaftlichen Sicht lässt sich eine naturphilosophische beifügen. Vielleicht siehst du dich einmal beim Daoismus um.
Wer gemäß Position C alles in der Schwebe lässt, verzichtet darauf, sein emotionales Bedürfnis nach ‚Sinn‘ durch eine Vorstellung über das Danach zu nähren. Wer also diese scheinbar naheliegende Position hat, wählt einen anspruchsvollen Weg sich zu verorten. Schon vor seinem leiblichen Tod muss er/sie vieles von seiner emotionalen Bedürftigkeit absterben lassen. Das ist schwer. Die konsequenteste Strategie, emotionale Bedürfnisse absterben zu lassen, hat sicherlich der Buddhismus, in Sonderheit der ZEN-Buddhismus.
Zusammengefasst: Position A zielt auf unsere Gefühle. Position B bietet eine rationale Abschottung gegen diese Gefühle (vgl. dazu C. G. Jung) kann aber auch einen naturphilosophischen Trost bieten. Position C ist, wenn sie nicht einfach daher geplappert wird, eine asketische Position. Sie strebt an, alle Fragen nach dem Leben und nach dem Sterben hinter sich zu lassen.
Da fällt mir noch eine Variante ein, von der Hans Küng einmal gesprochen hat. Man bleibt gespalten, d. h. heißt man glaubt eigentlich nicht an die Variante A, sonder eher B oder sogar C. Trotzdem lebt man äußerlich nach der Variante A, weil wenn es den angeblichen Gott tatsächlich gibt (man weiß es ja nicht wirklich ob es ihn nicht gibt), dann ist man wenigstens auf der richtigen Seite.
Ich selbst habe mich für B entschieden, in einem Friedwald einen Baum gekauft. In meiner Vorstellung wird mein Körper samt Seele bei der Verbrennung in Energie und Wärme in die Umwelt abgegeben. Der Rest kommt als Urne und Asche neben den Baum und wird ihm als Nahrung Dienen, vielleicht auch ein paar Würmern.
Es gibt kein danach…